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Lindenplatz und „Friedenslinde“ – Historie

von Alexandra

Der Lindenplatz in Gräfenroda, fast zentral im Ort gelegen, war Ende des 18. Jahrhunderts vom (damals noch offenen) Wolfsbach und vom Mühlgraben eingefasst. Markant auf dem Platz standen eine große Linde, umgeben von kleineren Linden, Kastanien und einer Eiche. Diese einst vorhandenen Bäume gaben dem Platz seinen Namen. Zudem befanden sich dort ein Wegweiser, ein Schlagbaum, eine Telegrafenstange sowie ein Wasserständer.

Besonders auffällig war die größere Linde, um die herum sich auf einer niedrigen Steinmauer ein sechseckiges gusseisernes Geländer befand. Darin eingelassen waren zwei Tafeln mit zwei Inschriften zum Andenken an die Krieger von 1866 und 1870-71“. Ein Eisernes Kreuz zierte ebenfalls dieses Gitter.

Vier Straßen führen vom Lindenplatz ab: Die Ohrdrufer Straße (heute „Zum Wolfstal“), die Waldstraße, die Mistgasse (heute Anspielgasse oder Dämmchen?) und die Ilmenauer Straße. Eisenbrücken mit Geländern ermöglichten damals den Übergang über die Straßen.

Im Sommer diente der Platz als Sammelpunkt für Ziegen und Kühe, die zur Weide getrieben wurden. Frauen nutzten das klare Wasser des Wolfsbachs zum Wäschewaschen, während Gänse, Enten, spielende Kinder und Korbflechter das Bild des Platzes prägten. Mitunter traten sogar Seiltänzer hier auf.

Bereits 1886 beschrieb der Thüringer Wandersmann August Trinius in seinem „Thüringer Wanderbuch“ den Platz wie folgt:

Ungefähr in der Mitte des Ortes, wo die Straßen nach Plaue, Elgersburg, Oberhof und Ohrdruf sich kreuzen, erhebt sich die umgitterte Friedenslinde mit dem Wahlspruch Schillers: „Ans Vaterland, an’s theure, schließ dich an!“ an welcher während des Herbstes das allmorgentliche Stelldichein der großen Ziegenherde Gräfenrodas stattfindet.

Quelle: Harald Siefert; „Gräfenroda – Der Lindenplatz, die Friedenslinde und das Kriegerdenkmal“; Eigenverlag, 2019)

Lindenplatz 1891
– Der zu dieser Zeit noch offene Wolfsbach wurde 1914 in Rohre gefasst –
(Quelle: Karl-Heinz Fischer; „Alt-Gräfenroda – Bilder aus vergangenen Zeiten“; Geiger-Verlag, 2007)

Belebter Lindenplatz und „Friedenslinde“ mit offenem Wolfsbach
(Quelle: Harald Siefert; „Gräfenroda – Der Lindenplatz, die Friedenslinde und das Kriegerdenkmal“; Eigenverlag, 2019)

Weitere Ansichtskarten vom Linenplatz

Quelle: Archiv Harald Siefert

1902

1953

1960

1960

1974

1976

1983

1985

Trauerzug zur Beisetzung 3 Gräfenrodaer Arbeiter, die im März 1920 bei Kämpfen in Gotha gefallen waren

Gewerkschaftskundgebung auf dem Lindenplatz um 1930

Am 24. Juli 1955 feierte der Musikverein Gräfenroda sein 100jähriges Jubiläum mit einem großen Festumzug.
Viele auswärtige Orchester waren zu Gast.

Hochzeitszug des Brautpaares Dorothea und Siegfried Brunngräber
im Jahre 1961 auf dem Lindenplatz.

Quelle: Karl-Heinz Fischer „Gräfenroda – Erinnerungen in Wort und Bild“; Verlag Rockstuhl, 2009

Die „Friedenslinde“

Die geschichtsträchtige Linde auf dem Lindenplatz ist die letzte verbliebene ihrer Art in der kleinen Grünanlage und steht noch immer stolz an der Einmündung zur Ilmenauer Straße, wie sie es seit über 150 Jahren tut.

Zwischen 2007 und 2009 war der Baum jedoch sichtbar von Krankheiten gezeichnet und verlor viel von seiner einstigen Pracht. Am 25. Oktober 2012 wurde die Linde aufgrund ihres Zustands radikal zurückgeschnitten, bis auf eine Höhe von etwa 5 bis 6 Metern.

Seitdem hat sich der Baum erholt und sich zu einer prächtigen Linde entwickelt, die erneut mit Stärke und Vitalität am selben Ort steht – ein lebendiges Zeugnis der Geschichte Gräfenrodas, das seine einstige Bedeutung gerade in Zeiten wie diesen wiederfinden sollte.

Lindenplatz um 1920
– Die „Friedenslinde“ links im Bild wurde am 23. April 1871 anlässlich der Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 gepflanzt. Auf der rechten Bildseite befindet sich die ehemalige Reuterschule. –
(Quelle: Karl-Heinz Fischer; „Alt-Gräfenroda – Bilder aus vergangenen Zeiten“; Geiger-Verlag, 2007; Foto: Archiv Harald Siefert)

Gekappte „Friedenslinde“, Januar 2013 

Die Form des Baumes nach der Kappung ähnelt fast einem großen „V“ für „Victory“ (der Sieg) – ein Sinnbild für die wechselvolle Geschichte des Baumes und seine beeindruckende Widerstandskraft.

Bildmitte: Die ausgetriebene „Friedenslinde“, Juni 2014

Anlass der Pflanzung

Die Linde wurde am 23. April 1871, dem Gründungstag des „Kriegervereins Gräfenroda“, gepflanzt. In den damaligen „Heimat-Glocken“, der Gräfenrodaer Lokalzeitung, wurde dieses Ereignis wie folgt beschrieben:

Die deutschen Heere hatten 1870-71 in schlichter Heldengröße ihre Siegesfahnen über Frankreichs Gefilde getragen bis zum Concordeplatz in Paris. Nach dem Frankfurter Frieden am 10.05.1871 war es in doppelter Beziehung Frieden geworden in den deutschen Gauen. […] Auch die Ortschaften des Geragaues wetteiferten miteinander, um das Friedensfest so feierlich wie möglich zu gestalten. Gräfenroda pflanzte seine Friedenslinde auf dem Anspiel (heute Lindenplatz) und schmückte dieselbe mit Schillers goldenem Wort […].

Am 17. Mai 1880 wurde an der Friedenslinde ein Kriegerdenkmal eingeweiht. Die finanziellen Mittel für den Bau des Denkmals wurden durch Spenden und großzügige Gaben von Einheimischen und Personen aus anderen Orten zusammengetragen. In den „Heimat-Glocken“ vom 20. Mai 1938, in einem Rückblick auf das Jahr 1880, wurde darüber geschrieben:

Am 17. Mai, dem zweiten Pfingstfeiertage, fand die Einweihung eines einfachen Kriegerdenkmals an der Friedenslinde statt. Die Linde wurde am 23. April 1871 gepflanzt und ist seitdem gut gediehen. Es war der Wunsch vieler hiesiger Einwohner, an ihr ein Denkmal zur Erinnerung an die Kriege von 1866 und 1870/71 und des geschlossenen ehrenvollen Friedens, ein Denkmal der Dankbarkeit gegen das Vaterland, die gefallenen und heimgekehrten Krieger, zu errichten. Durch Sammlungen unter den Gemeindemitgliedern und freiwillige Gaben einiger gutdenkender auswärtiger Personen kam soviel an Geld zusammen, dass das einfache Denkmal errichtet werden konnte.

Weitere Bilddokumente der „Friedenslinde“ mit Denkmal

Links: Wolfsbach; Mitte: Kriegerdenkmal mit Sitzgelegenheit; rechts: Mühlgraben

Die „Friedenslinde“ mit ihrem Kriegerdenkmal war von Anfang an der zentrale Ort für die jährlich stattfindenden „Sedan-Feiern“, bei denen der Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) gewürdigt wurde. Der „Kriegerverein“ trug die Hauptverantwortung für diese Veranstaltungen.

Dieser Platz hatte eine besondere Bedeutung, wie ein Schulaufsatz von Ed. Heyer aus den „Heimat-Glocken“ vom 21.01.1930 zeigt, in dem er ein Erlebnis aus dem Jahr 1877 beschreibt:

Im Jahre 1877 war es. Ich ging zu Herrn Kantor Lux in die Schule am Lindenplatz. Dieser Platz war unser Spielplatz, außerdem diente er, wie den älteren Lesern ja noch bekannt ist, als Ziegensammelplatz, Zigeunern, Seiltänzern und Karussells zu ihren angestaunten Aufführungen, trotz seiner vielen und großen Wasserpfützen. Sein Mittelpunkt war die Friedenslinde […].

Mitte der 1920er Jahre befanden sich der Lindenplatz und das Kriegerdenkmal jedoch in einem vernachlässigten Zustand. Dies führte zu zahlreichen Beschwerden und Eingaben, die auch den Gemeinderat beschäftigten. Oberlehrer Meusinger schlug im November 1926 eine Neugestaltung des Platzes sowie die Umzäunung und Anbringung einer neuen Tafel vor.

Im Jahr 1927 erfolgte schließlich die Umgestaltung des Platzes, die auch bauliche Veränderungen im Kurvenbereich sowie den Bau einer Mauer an der Straßenseite umfasste, die heute noch steht. Die ursprüngliche Umzäunung und die Tafeln konnten nicht wieder angebracht werden und wären neu gegossen werden müssen. Trotz mehrerer Gemeinderatssitzungen konnte keine Lösung für eine neue Umzäunung gefunden werden. Auch die Anträge des Kriegervereins wurden wiederholt abgelehnt.

Erst durch Anordnung von Fritz Sauckel, dem damaligen Gauleiter von Thüringen, wurde das Denkmal später wieder errichtet, über dessen genaues Aussehen jedoch nichts bekannt ist. Das Denkmal blieb bis 1946 bestehen, bevor es abgerissen und entsorgt wurde. Der Verbleib der Tafeln bleibt bis heute ungeklärt.

1933 veröffentlichte Oberpfarrer Dr. Th. Engert in den „Heimat-Glocken“ einen weiteren Vorschlag zur Errichtung eines Denkmals, doch auch dieser stieß beim Gemeinderat auf Ablehnung. Auch Pläne zur Errichtung eines Turmes auf der Riedskuppe, dem Kammberg oder dem Weißen Stein fanden keine Zustimmung.

Nach 1933 gab es schließlich Vorschläge, das Denkmal an einen neuen Standort im Pfarrgarten zu verlegen, doch auch diese Pläne wurden nie realisiert. Der Verbleib des ursprünglichen Denkmals und seiner Tafeln bleibt bis heute ein ungelöstes Rätsel.

Spätere Baumaßnahmen führten zur völligen Entfernung der letzten Überreste wie Natursteinsockel und Gitter. Der Bereich um den Baum wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgestaltet.

Lindenplatz um 1953, ganz links die „Friedenslinde“

Lindenplatz um 1968

Fazit

Die „Friedenslinde“ wurde ursprünglich als Zeichen des Sieges über Frankreich gepflanzt und bis 1945 zur Kriegspropaganda missbraucht.

Heute sollten wir sie jedoch als echtes Symbol des Friedens und der Versöhnung betrachten, was ihrem Namen mehr als gerecht wird. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, eine Informationstafel an diesem geschichtsträchtigen Ort unter der „Friedenslinde“ anzubringen. Diese Tafel könnte den geschichtlichen Hintergrund des Baumes erläutern und so das Bewusstsein der Bürger und Gäste von Gräfenroda neu beleben.

Quelle: Harald Siefert; „Gräfenroda – Der Lindenplatz, die Friedenslinde und das Kriegerdenkmal“; Eigenverlag, 2019

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